Quelle: SBC

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Frischbackwaren: Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Industrie und Gewerbe

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Die Backwaren- und Konditorei-Branche ist sehr kreativ. Die Brotvielfalt ist in der kleinen Schweiz beeindruckend. Jährlich kommen neue Brotsorten dazu. Migros und Coop investieren derzeit in neue Grossbäckereien.

Brot und andere hefegetriebene Backwaren gehören normalerweise zu den Frischbackwaren und es sind meistens offen verkaufte Tagesfrischprodukte. Über diese Branche machte die Vereinigung der Backbranche VdB im März 2016 eine Standortbestimmung. Sie ist bei uns ähnlich strukturiert wie in Deutschland und Österreich mit gewerblichen und industriellen Playern, den Teilmärkten der TK-Backwarenhersteller, den Backstationen in Supermärkten («backender Handel»), Spezialisten und Kuchenherstellern. Aber bei uns gibt es kaum Backdiscounter. Die dominante Kraft in Europa ist der backende Handel: Aldi, Lidl, Migros, Coop, Rewe, Edeka und Spar fertigen in ihren Läden teilgebackene Produkte und stellen sie ofenwarm ins Regal. Eine Besonderheit der Schweiz sind gekühlte Backwaren, Pizzen und Teige. TK-Backwaren haben einen hohen Marktanteil und werden weiter zulegen mit einem höheren Anteil von teilgebackenen.

Absatzkanäle
Ein Beispiel für eine herausragende Schweizer Leistung ist die TK-Teiglingtechnologie, deren Fundament von Fredy Hiestand stammt. Aber es gibt Schwachstellen: Schweizer haben einerseits Mühe mit der Marken-Generierung und andererseits mit dem Export von Frischbackwaren. Ausnahmen bei Markenbroten sind das Pain Paillasse, allgemein bei Backwaren die Marke Betty Bossi und seit Kurzem das vorverpackte Happy Brot der Migros mit verlängerter Frischhaltung. Die Schweiz importiert auch Frischbackwaren, so vor allem Toastbrote von Ölz. Zwei Drittel des Frischbackwaren-Absatzes erfolgt über Grossverteiler oder alternative Kanäle gemäss dem Verband der gewerblichen Bäckermeister SBC. Das Gewerbe positioniert sich mit einer Qualitätsstrategie, verwendet regionale Rohstoffe, produziert täglich mehrmals frisch vor Ort, verfügt damit über kurze Vertriebswege und pflegt den persönlichen Bedienungs- und Beratungsverkauf. Aber der Konzentrationsprozess schreitet weiter voran, die Betriebe werden grösser. Vor allem «Low carb» und glutenfreie Produkte bedrohen den Brotkonsum: Durch starke Trendsetter im Buchmarkt und auf Social Media sind diese Trends zu Lifestyle-Moden geworden, die weit mehr Menschen ansprechen als die effektiv betroffenen Diätetiker. Und der Import von Halb-/Fertigprodukten ist in 15 Jahren um das 2,5-fache gestiegen. Dies einerseits wegen des Margendrucks in Gastronomie und Hotellerie und andererseits weil bei warmem Brot in Supermarkt-Backstationen Qualitätsunterschiede schwierig festzustellen sind.

Kompetenzen besser fokussieren
Die Folgen: In den gewerblichen Bäckereien sinken der Umsatz pro Mitarbeiter und der Bruttoerfolg (ausser bei Betrieben mit Cafés), der Cashflow ist generell zu tief (40 % der Betriebe haben schlechte Überlebenschancen) und die Filialisierung nimmt weiter zu (oft Bäckereisterben genannt). In gewerblichen Bäckereien herrscht Handarbeit vor. Industrielle Betriebe, die heute ebenfalls eine hohe Qualität anbieten, besitzen automatisierte kontinuierliche Backstrassen, stellen aber in der Schweiz die Teige batchweise her.

Im Industrie-Segment operieren vor allem Migros (Jowa), Coop (regionale Grossbäckereien), Hiestand (mit HiCoPain, Europas modernster und am stärksten automatisierten Bäckerei), Romer’s Hausbäckerei und Kern & Sammet. Die ersten zwei stellen tagesfrische Backwaren her für ihre eigenen Supermärkte und die letzten drei mehrheitlich TK-Produkte (Teiglinge und vorgebackene Backwaren) für das Engros-Geschäft (Detailhandel und Gastronomie). Aber auch rund ein Drittel der Brotwaren, welche die Jowa produziert, sind TK-Produkte, die in den Filialen oder Tankstellenshops aufgebacken werden. Sowohl Coop wie auch Migros bauen Grossbäckereien. Jowa baut die Regionalbäckerei Gränichen SG aus. Mit dem Neubau weitet die Migros-Tochter ihre Produktionskapazität für tiefgekühltes Brot aus (Halbback- und Teiglinge) für Engros- und Detailhandel-Belieferung. Die Investitionssumme beträgt 57 Millionen Franken, die Inbetriebnahme ist für 2017 geplant.

Modernste Technologien
Coop baut eine Verteilzentrale mit angeschlossenem Produktionswerk für Frischbrot, Tiefkühl-Backwaren und Konditoreiartikel in Schafisheim AG und fasst dafür die Betriebe Basel, Wallisellen und Chur zusammen. Die Inbetriebnahme der Bäckerei erfolgt in mehreren Stufen von April 2016 bis Februar 2017. Hier werden modernste Technologien implementiert. Man fokussiert stärker auf Produktqualität, Fertigungsflexibilität, Konsumentenschutz und Umweltaspekte. Aussehen, Aroma und Frische der Brote will man durch eine massgeschneiderte Vorteigbereitung, mehr Weichteige, intensivere Teigreifung, schonendere Verarbeitung und optimierte Back- und Kühlprozesse verbessern.

Zur Auslastung der neuen Grossbäckerei werden auch teilgebackene und tiefgekühlte Teiglinge in Schafisheim produziert und vor Ort ins zentrale Tiefkühlhaus eingelagert. Aus diesem Grund wird die Kooperation zwischen Coop und Hiestand (HiCoPain) nicht mehr verlängert. Die regionalen Bäckereien Aclens, Bern, Castione und Gossau bleiben bestehen und wurden auch umfangreich modernisiert. Von Schafisheim aus werden künftig die Coop-Verkaufsregionen Nordwestschweiz und Zürich-Zentralschweiz mit frischen Backwaren beliefert. Insgesamt werden rund 1900 Personen in der VZ Schafisheim arbeiten, davon rund 600 in der Backwarenherstellung.

Grosse Bedeutung der Klein-Bäckereien
Ein nennenswerter Anteil von Bäckereien, vor allem in der Deutschschweiz, beteiligt sich an Labelprogrammen wie IP-Suiss beziehungsweise Naturabeck, einem Mittelweg zwischen konventionell und Bio, aber mit der Verpflichtung, Mehl aus Schweizer Getreide zu verwenden. 22 bis 25 Prozent des Mehlverbrauchs ist IP-Suisse-zertifiziert. Andere Betriebe setzen auf Bioprodukte. Biofrischbrot generiert einen Umsatz von 162 Millionen Franken und gehört mit einem Marktanteil von 18,3 Prozent zu den beliebtesten Bio-Produkten. Im 2006 schuf die SBC-Bäckereifachschule Richemont in Luzern mit «Naturel» ein handwerklich und naturrein definiertes Label. Die Anforderungen sind ähnlich wie für «Slow Baking» in Deutschland aber noch anspruchsvoller.

Die gewerblichen Bäckereien sind im Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband SBC organisiert (www.swissbaker.ch). Die SBC-Mitglieder besitzen rund 1700 Produktionsstätten sowie über 3000 Verkaufsstellen und erreichen einen bemerkenswert hohen Marktanteil von 40 Prozent (Heim- inkl. Ausserhauskonsum, gemäss Schätzung SBC). Der SBC gibt jedes Jahr einen Branchenspiegel heraus und organisiert alle zwei Jahre die Fachmesse FBK in Bern sowie die Swiss Bakery Trophy, einen Produktewettbewerb mit Fachjury-Prämierung (www.lepain.ch).Entsprechend der grossen Bedeutung der Frischbackwarenbranche wird in der Schweiz auch Brot-Forschung betrieben, dies besonders an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil. Forschungsthemen sind vor allem die Brotqualität und das Brotaroma. Die industriellen Frischbackwaren-Hersteller besitzen als eine der wenigen Branchen keinen politischen Interessen-Verband, dafür einen aktiven Fachverband, die Vereinigung der Backbranche Schweiz VDB (www.vdb-ch.ch). Dieser Verein wurde im Herbst 2007 gegründet und zählt rund 130 Mitglieder. Zweimal jährlich finden Fachtagungen statt.