Convenience Food – Vom Prügelknaben zum Musterschüler

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Convenience Food, ob tiefgekühlt oder in Dosen, leidet nach wie vor unter einem Imageproblem und begegnet vielen Vorurteilen: «Ungesund», «Schmeckt nicht», «Enthält massenweise Zusatzstoffe» sind einige davon. Dabei kann man die Geschichte der Convenience Produkte, die vor über 200 Jahren damit begann, dass Napoleon ein Preisgeld für die Erfindung haltbarer Lebensmittel für die Versorgung seiner Soldaten im Krieg aussetzte und so die Konservendose entstand, durchaus als Erfolgsstory betiteln. Ein Plädoyer.

Der Begriff Convenience Food umfasst weit mehr als gekühlte Fertigmenüs. Wenn ein Produkt «convenient» ist, bedeutet das schlicht, dass es «praktisch» ist: Der Hersteller nimmt dem Verbraucher Arbeit ab, indem er das Produkt für den Konsum mehr oder weniger stark vorbereitet. Unter Convenience Food versteht man deshalb ganz allgemein verarbeitete, portionierte und abgepackte Lebensmittel aus allen Temperaturbereichen (ungekühlt, gekühlt und tiefgekühlt) und dies für den Detailhandel, die Industrie und die Gastronomie. Konfitüre gehört genauso zum Convenience Food wie gerüsteter und vorgewaschener Salat, Ravioli in der Dose oder eine Tiefkühlpizza. Allen Produkten ist gemein, dass sie dem Verbraucher die Zubereitung ganz oder teilweise abnehmen oder zumindest erleichtern. Im Bereich der tiefgekühlten Kartoffel- und Gemüseprodukte beispielsweise sind alle Artikel mit einem gewissen Grad an Convenience veredelt und waren es schon, als es den Begriff «Convenience» noch gar nicht gab.

Technisch gesehen kann man Fertiggerichte von Halb- oder Teilfertiggerichten unterscheiden: Fertiggerichte sollen dem Verbraucher die Zubereitung komplett abnehmen, abgesehen natürlich vom Vorgang des Erwärmens. Sämtliche Zutaten werden bereits beim Hersteller verarbeitet, der Verbraucher muss nichts mehr oder dann nur noch Wasser hinzufügen. Von Halb- oder Teilfertiggerichten spricht man, wenn die Zutaten bereits zerkleinert und portioniert verpackt sind, der Verbraucher sie aber noch nach Anleitung mischen und gegebenenfalls weitere Zutaten zugeben muss, die aus praktischen Gründen nicht mitgeliefert werden oder nicht für eine längere Lagerung geeignet sind.

Weshalb Convenience Food nicht per se ungesund ist
Die Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch die Hersteller achten nicht erst seit dem berühmten Kassensturzbeitrag über Ravioli 1978 auf Inhaltsstoffe und Zutaten von Convenience Produkten. Diese sollen heute nicht nur convenient, sondern gleichzeitig auch frisch, gesund, regional hergestellt und preislich attraktiv sein – eine Herkulesaufgabe. Denn die gesunden und ernährungsphysiologisch wertvollen Convenience Produkte müssen zudem noch eine genügend lange Mindesthaltbarkeitsdauer aufweisen, um in den einzelnen Läden verkauft zu werden. Das alles zu kombinieren, ist nicht immer einfach.

Beim Tiefkühlen von Produkten ergeben sich viele Vorteile bereits aus dem Verfahren: Da bei einer Temperatur von unter 18 Grad Celsius alle Veränderungen im Lebensmittel fast vollständig zum Erliegen kommen, bleiben empfindliche Vitamine und Aromen gut erhalten und die Keimvermehrung wird gestoppt. Tiefgekühlte Früchte und Gemüse werden direkt nach ihrer Ernte innert weniger Stunden verarbeitet und veredelt und enthalten so im Vergleich zu frischer Ware, die auf den Transportwegen, beim Detailhändler und im Kühlschrank des Konsumenten oft tagelang ihrer Verwendung harrt, einen deutlich höheren Anteil an Vitaminen. Das haben mittlerweile auch Konsumentenmagazine wie Saldo eingesehen. Wichtig bleibt eine schonende Zubereitung durch den Verbraucher: Wer sein TKGemüse schmort, anstatt es im Wasser zu kochen, erzielt viel bessere Resultate.

Arten der Zubereitung
Chilled Food, also sogenannte kühlfrische Produkte, werden anders hergestellt. Rohprodukte werden normalerweise mit Schutzgas haltbar gemacht. Gegarte Speisen werden entweder heiss abgefüllt (hot fill) oder portioniert abgepackt und pasteurisiert. Noch schonender ist die Methode des Vakuumgarens (sous vide). Diese Produkte sind weniger lang haltbar als tiefgekühlte, da die weniger starke Kühlung die Abbauprozesse auch nicht gleich gut hemmt. Hier ist deshalb ein rascherer Verbrauch angezeigt.

Wichtig zu wissen ist, dass im Bereich von Convenience Food stets qualitativ hervorragende und frische Rohstoffe schnell und schonend verarbeitet werden. Damit lassen sich die besten Resultate erzielen. Bei Tiefkühl- und Dosenprodukten sind zudem Konservierungsmittel weder erlaubt, noch notwendig: Das Zubereitungsverfahren macht ihren Einsatz unnötig. Und schliesslich achten die Verbraucher auch bei Convenience Food zu recht je länger je mehr auf Inhaltsstoffe, Zutaten und Herkunft der Rohstoffe. Auch bei der industriellen Herstellung von Lebensmitteln geht der Trend deshalb immer mehr in Richtung clean labelling, das heisst den Verzicht auf Zusatzstoffe. Die Produkte stehen den herkömmlichen Lebensmitteln in Sachen Frische, Qualität und Gesundheit deshalb kaum mehr nach.

Der Erfolg gibt den Convenience Produkten Recht
Convenience Produkte haben insbesondere im Bereich der Gastronomie einen hohen und wichtigen Stellenwert. Gastronomen müssen kreativ sein und sich täglich neu erfinden. Gleichzeitig aber ist der Kunde immer weniger bereit, viel Zeit und Geld in seinen Restaurantbesuch zu investieren. Er will rasch und preisgünstig verpflegt werden. Hier bieten Convenience Produkte den Gastronomen willkommene Menükomponenten, mit denen sie mit wenigen Handgriffen ihre Kreativität ausleben und einzigartige Menüs nach ihrem eigenen Gusto zaubern können. Dadurch wird den Gastronomen Aufwand bei der Zubereitung der Speisen abgenommen und zugleich Inspiration für ihre Speisekarte geboten. Auch im Lebensmittelmarkt nimmt Convenience Food eine wichtige Stellung ein. Das Sortiment wurde in den letzten Jahren stark ausgebaut und nimmt mittlerweile viel Regalplatz ein. Nebst Fertiggerichten, Salaten und Sandwiches für die Verpflegung unterwegs oder zu Hause spielen auch «Küchenhelfer» wie gehackte Zwiebeln, Wok-Gemüse-Mischungen oder fixfertige Saucen aller Art eine wichtige Rolle. Der heutige Lebensstil trägt stark zu dieser erhöhten Nachfrage bei: Gerade in Ballungszentren wird sehr oft unterwegs verpflegt, das Frühstück im Tram oder Zug, das Mittagessen im Park oder im Büro. Schweizer Konsumenten investieren aber auch zu Hause weniger Zeit in das Herstellen von selbergemachtem Essen und bevorzugen oft einfach und schnell zuzubereitende Gerichte; dies zum einen auf Grund der steigenden Anzahl Single-Haushalte, zum anderen wegen zunehmend anzutreffenden Familienmodellen mit zwei berufstätigen Elternteilen. Für eine langwierige Vor- und Zubereitung von Speisen bleibt meistens noch am Wochenende Zeit.

Die Konsumenten bevorzugen dabei gesunde Fertiggerichte ohne zusätzliche Konservierungsstoffe. Eine grosse Nachfrage ist bei traditionellen Schweizer Gerichten wie «Gehacktes mit Hörnli» oder Pastagerichten wie Älplermagronen festzustellen, aber auch bei internationalen Speisen wie beispielsweise Couscous.

Ein Blick in die Zukunft
Ernährungsgewohnheiten verändern sich ständig. Trotzdem dürften die beschriebenen Trends auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen: Zum einen wird der Trend zur Ausser-Haus-Verpflegung unterwegs oder am Arbeitsplatz anhalten und weiter zunehmen. Sämtliche Take Away-Anbieter werden ihr Angebot noch weiter ausbauen und so auch immer mehr Convenience Produkte in ihr Sortiment aufnehmen. Fertig zubereiteten Salaten und warmen Fertiggerichten werden hier das grösste Wachstumspotenzial vorhergesagt. Dazu gehört aber sicherlich auch das sogenannte «Fingerfood», das – wie der Name sagt – von Hand verzehrt werden kann. Glaubt man den Trendforschern, wird es zudem zentral sein, dass das Essen mit nur einer Hand verspeist werden kann, weil die andere mit dem Handy beschäftigt ist. Zum anderen dürfte auch die Nachfrage nach Convenience Food für den Heimgebrauch weiter ansteigen.

Es ist also wahrscheinlich, dass es in Zukunft ein noch grösseres Angebot an Convenience Produkten geben wird als heute. Wichtig wird sein, dass die Produkte noch nicht fixfertig zubereitet sind, sondern vor dem Verzehr individualisiert werden können. Auch vegetarische Produkte gewinnen an Popularität, wie auch die sogenannten «Ethnischen Produkte», die durch die stetig steigende Internationalisierung bekannt und beliebt werden. Rückläufig hingegen dürfte der Absatz an lang haltbaren Tiefkühl- und Fertiggerichten wie auch Dosenprodukten sein.

Zukünftige Convenience Produkte werden also weniger in Richtung Fast Food gehen, sondern sollen ausgewogen, vielfältig, individualisierbar und gesund sein. Lifestyle-Ernährungstrends wie vegane, gluten- und laktosefreie Produkte werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, da sich auch Konsumenten «free-from» ernähren wollen, ohne dass eine eigentliche Unverträglichkeit vorliegt. Diese Bedürfnisse und Trends gilt es auch in Zukunft zu suchen, zu finden und gegebenenfalls zu fördern – wie es schon Napoleon vor 200 Jahren gemacht hat. Dann wird sich Convenience Food vielleicht auch nicht mehr für seine Existenz erklären und rechtfertigen müssen, sondern als willkommener, gesunder und im besten Sinne «normaler» Bestandteil unserer Ernährung etabliert haben.

Dr. Urs Reinhard, Geschäftsführer Swiss Convenience Food Association (SCFA)